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Die Vision des Diakonats bei Josef Hornef

Dr. Heinrich Hornef schildert bei der Jubiläumsfeier in Straßburg eindrücklich die Vision seines Vaters

Cést une grande joie pour moi détre ici aujourdjui avec ma femme, et de celebrer avec vous cette anniversaire importante des cinquante ans.
Et alors, je voudrais parler en allemand.
Es ist mir eine besondere Ehre, als Sohn des Dr. Josef Hornef hier über seine Vorstellungen vom ständigen Diakonat und über sein großes Engagement für die Erneuerung dieses Weiheamtes in unserer Kirche zu sprechen. Wenn ich dies hier tue, so bitte ich zu berücksichtigen, dass Sie es mit zwei Nichttheologen zu tun haben. Mein Vater war Richter, also Jurist, und ich bin ein Finanzmensch. Gerade in dieser Rolle als Laie war es mir eine Freude, mich auf meine heutige Aufgabe vorzubereiten. Ich bin dadurch selbst wieder einmal sehr lebendig meinem Vater begegnet. Mir ist wieder bewusst geworden, wie tief er von dem Anliegen des Diakonats durchdrungen war, wie sehr sein Geist und sein Herz ihn angetrieben haben, sich leidenschaftlich für die Wiedereinführung des ständigen Diakonats einzusetzen.
Dr. Heinrich Hornef Dr. Heinrich Hornef Sie fragen sich sicher auch: Was hat den Josef Hornef eigentlich dazu bewogen, über Jahre hin seine ganze Kraft diesem Anliegen zu widmen? Er war ja schließlich auf einem ganz anderen Gebiet voll berufstätig, und er hatte eine große Familie. Um die Antwort darauf zu finden, muss man zurückblenden in die Jahrzehnte unmittelbar nach dem Krieg, die ja eine in vieler Hinsicht fruchtbare Zeit des Neubeginns war: – Eine Zeit des Wiederaufbaus in Deutschland – nach Jahren schwerster Zerstörungen und harter Entbehrungen – eine Periode rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs, an dem jedermann teilhaben wollte. „Wohlstand für alle“ war die politische Parole. – Und gleichzeitig eine Zeit des Neubeginns für die Kirche nach Jahren der Unterdrückung durch das Nazi-Regime, eine Chance für ein neues geistiges Klima und für den Aufbau einer Gesellschaft mit christlicher Prägung.
Für meinen Vater stand der zweite Aspekt im Vordergrund: die Herausforderung, die sich damals der Kirche stellte. Dazu trugen seine persönlichen Erfahrungen, die Erfahrungen unserer Familie in der Nazi-Zeit und im Krieg entscheidend bei, auf die ich kurz eingehen will:
Die erste dieser Erfahrungen war das Leben in dem kleinen Städtchen Grünberg in der oberhessischen Diaspora, wohin die Nazis meinen Vater schon 1934 vertrieben hatten, um ihn kirchlich und politisch mundtot zu machen. Sie erreichten das Gegenteil. Mein Vater kümmerte sich intensiv um die wenigen Dutzend dorthin versprengter Katholiken. Es gelang ihm, diese Menschen, 25 km vom nächstgelegenen Pfarramt in Gießen entfernt, zu einem bescheidenen Gemeindeleben zusammenzuführen, in dem er selbst – neben seinem Beruf als Richter – tatkräftig und gestaltend wirkte – eine Aufgabe ähnlich dem eines Filial-Diakons, den es damals offiziell natürlich noch nicht gab.
Die zweite prägende Erfahrung war 1945 die russische Kriegsgefangenschaft. Im sowjetischen Gefangenenlager in Oberschlesien kümmerte er sich – mangels eines katholischen Priesters – zusammen mit drei evangelischen Pfarrern um ein improvisiertes, aber lebendiges gottesdienstliches Leben, zu dem alle Mitgefangenen eingeladen waren. Ökumene pur.
Man kann hier eine gewisse, wenn auch bescheidene Parallele zu den Aktivitäten von Priestern und Laien um Pater Otto Pies und Wilhelm Schamoni im Konzentrationslager Dachau sehen. Aus den Berichten von Pies und Schamoni und aus persönlichen Begegnungen mit ihnen erfuhr Josef Hornef schon 1947, dass sich diese Dachauer Gruppe damals intensiv mit den Fragen einer Erneuerung des Diakonats und der Weihe verheirateter Männer auseinander gesetzt hat. Deren Gedanken waren für meinen Vater eine ganz wichtige Quelle und Anregung für seine eigenen Vorstellungen.
Mein Vater hat sich in den 50er und 60er Jahren intensiv mit allen Fragen um das Diakonat beschäftigt, mit der geschichtlichen Entwicklung, mit der theologisch-pastoralen Stellung des Diakons im Rahmen des Ordo sowie mit dem breiten Aufgabenspektrum, das dem ständigen Diakon in der Praxis zuzuweisen sei. Hierdurch und durch einen vielfältigen Gedankenaustausch mit namhaften Fachleuten hat er sich eine Plattform erarbeitet, die ihn zu einem gefragten Gesprächspartner werden ließ. Tag für Tag, Jahr um Jahr arbeitete er seitdem zusammen mit vielen Gleichgesinnten daran, alle Welt – Bischöfe und Priester, Repräsentanten der Laienbewegung, Meinungsbildner und Publizisten, vor allem aber maßgebende Entscheidungsträger des Konzils – von der Wichtigkeit dieses Anliegens zu überzeugen. In einer großen Zahl von Aufsätzen hat er seine Gedanken zu vielen Aspekten des Diakonats veröffentlicht. 1959 erschien sein Buch „Kommt der Diakon der frühen Kirche wieder?“ Er ließ keine Chance aus, um immer und immer wieder in Wort und Schrift die Botschaft von einem lebendigen, erneuerten Diakonat zu verbreiten, einem Diakonat, das in die moderne Zeit passt und dem Wirken der Kirche neue kräftige Impulse verleiht.
Bild vergrößern Wenn meine Geschwister und ich damals die Eltern besuchten, fast immer das gleiche Bild: Unser Vater, vertieft in einschlägige Literatur oder aktuelle Berichte oder aber am Telefon. Und jeden Abend ein dicker Packen zwei- bis dreiseitig handgeschriebener Briefe zur Post. So erlebte unsere Familie den von der Diakonats-Idee schier besessenen Vater Josef Hornef. Und an seiner Seite die grenzenlos geduldige Mutter.
So ging es auch seinen engen Freunden, von denen ich hier besonders einen, nämlich Johannes Kramer, namentlich nennen möchte, den jungen Mann aus dem Allgäu, einer der ersten Mitstreiter meines Vaters und ein hochgeschätzter Freund, dessen Name mir heute noch in lebendiger Erinnerung ist. Kramer gründete im Jahr 1951 in Freiburg den ersten Diakonatskreis und wirkte mit großem Elan in einem weit verzweigten Netzwerk . Leider ist Hannes Kramer nicht mehr unter uns.
Umso mehr habe ich mich gefreut, hier in unserer Mitte – wenn auch nur per Video, aber mit unglaublicher Lebendigkeit und Kraft – Professor Paul Winninger zu sehen, einen der ersten Missionare für das Diakonat auf französischer Seite, mit dem mein Vater ebenfalls eng verbunden war.
Wenn ich bisher die Rolle und persönliche Geschichte meines Vaters als Vorkämpfer und Initiator der Erneuerung des ständigen Diakonats in den Vordergrund gestellt habe, so heißt das nicht, dass das Visionäre in seinen Gedanken zu kurz kommen soll. Keineswegs. Josef Hornef hat in der Sachdiskussion zum Diakonat beachtliche eigene Akzente gesetzt und ein in sich geschlossenes, facettenreiches Bild von der Stellung und der Persönlichkeit des Weihediakons entworfen. Über dieses Bild möchte ich jetzt gern sprechen.
Josef Hornef war fest davon überzeugt, dass die Erneuerung des ständigen Diakonats in erster Linie eine große und nachhaltige Bereicherung sein würde, eine Bereicherung für die Kirche und ihr Wirken in der Welt. Für manchen, der sich damals für die Erneuerung des Diakonats einsetzte, war dieses ja eine Art Notnagel, um dem sich abzeichnenden Priestermangel und der daraus drohenden Seelsorgenot zu begegnen. Andere glaubten, im Diakonat so etwas wie einen Trost – um nicht zu sagen: ein Trostpflaster – für jene zu sehen, die sich den Zölibat zwar nicht zutrauen, die aber dennoch gern engagiert, ja auch hauptberuflich in der Kirche arbeiten wollen.
Diese beiden Gesichtspunkte sind Ihnen, meine lieben Zuhörer, natürlich bestens bekannt; ich brauche darauf nicht näher einzugehen. Sie waren auch für meinen Vater sehr wichtig und er widmete ihnen viel Raum in Wort und Schrift. Aber das Wichtigste war für ihn dennoch die Bereicherung, die der Kirche durch die Erneuerung eines lebendigen Diakonats zuwachsen würde. Diese Bereicherung sah er vor allem auf drei Gebieten: – An erster Stelle betonte er die Bereicherung des Ordo durch das erneuerte, eigenständige Weiheamt des Diakons als drittes Weiheamt neben dem Amt des Priesters und dem des Bischofs – den wieder vollen Dreiklang der Ämter, der die Gnadenströme verstärkt fließen und wirksam werden lässt. – Als zweites war für ihn die Bereicherung für das Gemeindeleben wichtig, in seinen Augen eine nicht nur quantitative, sondern gerade auch eine qualitative Bereicherung. Er sah im Diakonat einen Baustein, der die Brücke zwischen Klerus und Gottesvolk stabiler macht und das Zusammenwirken lebensnäher und enger gestaltet. Er war davon überzeugt, dass durch die Weihe von Männern, die sich bereits in einem weltlichen Beruf bewährt haben, ganz neue, vielfältige Talente und reiche Lebenserfahrung erschlossen werden – für die Arbeit in der Gemeinde und, über deren Tellerrand hinweg, auch für die Arbeit der Kirche in alle Bereiche der Gesellschaft hinein. – Und schließlich sah mein Vater im Diakonat eine große, ganz persönliche Bereicherung für viele junge – und auch nicht mehr ganz junge – Menschen, denen sich ein neuer, schöner und vielseitiger Beruf erschließt. Sie, meine lieben Zuhörer, haben sich diesen Beruf erwählt, in den Sie die Freude an seelsorglicher Arbeit und dazu ihre ganz persönlichen Fähigkeiten und Ideen einbringen können.
Gerade an diesen Aspekten wird deutlich, dass Josef Hornef ein uneingeschränkt positives Bild vom Diakon hatte – hie und da vielleicht ein zu idealistisches Bild. Sie, die Sie in der praktischen Alltagsarbeit des Diakons stehen, sehen da heute sicher manches nüchterner. Mein Vater hat die positive Grundeinstellung zum Diakonat und die vielen Vorteile, die er in der Wiedererweckung diese Amtes sah, leidenschaftlich auch gegenüber den durchaus nicht wenigen skeptischen und ablehnenden Stimmen vertreten, die damals durchaus zum Gesamtbild der Diskussion gehörten.
Auf der Basis dieser Gesamtsicht hat mein Vater sehr konkrete und praxisnahe Vorstellungen über das WIE des diakonischen Amts entwickelt. Ich will mich hier auf vier meines Erachtens besonders wichtige Aspekte beschränken:
Als erstes nenne ich den von ihm nachdrücklich betonten, ja geforderten Weihecharakter des Diakonats. Diese Conditio zieht sich wie ein roter Faden durch sein Bild vom Diakon. Der Weihe-Diakon, geweiht wie Bischof und Priester, mit gleicher Würde, wenngleich mit einem deutlichen Rangunterschied. Denn die Feier der Eucharistie ist allein dem Priester vorbehalten.
Die Gnade und Würde der Weihe macht den maßgeblichen Unterschied zwischen Diakonat und Laienapostolat aus. Dieser Unterschied ist für Josef Hornef entscheidend. Für ihn steht der Diakon klar auf der Seite des Klerus. Die Weihe verleiht dem Diakon Teilhabe am priesterlichen Amt. Das Engagement der Laien ist anderer Natur, auch wenn es noch so glaubensstark und professionell ausgeübt wird.
Diese von Josef Hornef stark betonte Unterscheidung mag heute zu Tage manchen befremden. Das ist verständlich. Ich persönlich kann mir übrigens sehr gut vorstellen, dass mein Vater heute – ein halbes Jahrhundert später – hier eine andere Position einnehmen würde. Denn heute ist die Situation eine ganz andere. Es gab ja damals noch nicht die große Zahl von Laien in hauptamtlicher und zum Teil exponierter kirchlicher Tätigkeit – Gemeindereferenten, Pastoralreferenten, karitative Berufe, Krankenbetreuer, z.B. in der Palliativmedizin, Lektoren und Kommunionspender und manches andere. Ich nenne auch die Messner und Pfarrsekretärinnen. Ich glaube, dass Josef Hornef das, was er damals nur angedeutet hat, heute mit großer Deutlichkeit und Überzeugungskraft sagen würde. Nämlich: Die Träger dieser wichtigen hauptamtlichen Funktionen sind grundsätzlich alle als Anwärter für das Diakonat anzusehen. Sie sind allesamt potentielle Kandidaten für die Diakonatsweihe, die ihnen besondere Gnade und Kraft für ihre Arbeit gibt. „Legt Ihnen doch die Hände auf!“ Eine solche Aussage würde seinem Naturell entsprechen. So könnte die Zahl der durch Weihe legitimierten Diakone noch deutlich größer sein als sie es schon ist.
Eine solche Positionierung hätte vermutlich auch Konsequenzen in der Frage der Diakonatsweihe für Frauen. Vielleicht würde er hier heute eine aufgeschlossene Haltung zeigen. Ich weiß es nicht. Damals hat er sich zu dieser Frage öffentlich zurückgehalten. Vielleicht spielten dabei Opportunitätsüberlegungen eine Rolle, weil mit Sicherheit das Lager der Gegner Verstärkung erfahren hätte. Aber er war damals auch selbst zurückhaltend, was in Briefen und persönlichen Gesprächen deutlich wurde, z.B. gegenüber Ida Friederike Görres, die sich bekanntlich für das Frauendiakonat stark machte.
Als zweiten wichtigen Aspekt für die konkrete Position des ständigen Diakons nennt Josef Hornef die eindeutige Unterstellung unter den Ortspfarrer. Er denkt da ausgesprochen hierarchisch, ohne jede Anwandlung von falsch verstandener Partnerschaft. Der Pfarrer ist der Chef, er gibt Aufgabe und Richtung vor. Der Diakon ist Diener dieser Aufgabe, dem zwar – hoffentlich – genug Spielraum für die Ausgestaltung seines Aufgabenbereichs eingeräumt wird, der aber weiß: Im Zweifel hat der Pfarrer das Sagen. Von dieser Meinung würde mein Vater auch heute sicher nicht abrücken. Für ihn war hier wie überall eine klare Ordnung wichtig. So haben wir ihn auch in der Familie erlebt.
Der dritte wichtige Aspekt für das Amt des Diakons lautet bei Josef Hornef: Sein Aufgabenbereich ist breit angelegt! Hier manifestieren sich am deutlichsten die praktischen Erfahrungen, die mein Vater aus der oberhessischen Diaspora mitgebracht hat, sowie seine Erlebnisse in der russischen Kriegsgefangenschaft. Josef Hornef vertritt den Standpunkt, dass fast alles, was nicht ausdrücklich dem Priester vorbehalten ist, wie die Feier der Eucharistie und das Bußsakrament, dem Diakon als Aufgabe zugewiesen werden kann: Als wichtiger Schwerpunkt natürlich die karitative, soziale Arbeit in der Gemeinde; aber keine Beschränkung auf diese. Dazu kommen Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Jugendarbeit und die Pflege anderer Gruppen und Gemeinschaften. Ganz wichtig sind Hausbesuche, Ausdruck seines Wirkens in die Tiefe der Gemeinde hinein. Also ein breites Spektrum herausfordernder Aufgaben.
Und der vierte Aspekt: Der geweihte ständige Diakon ist nicht zum Zölibat verpflichtet. Da gab es für Josef Hornef kein Wenn und Aber. Ich glaube, dass mein Vater die Ehe des Diakons und seine Familie sogar als ein wesentliches bereicherndes Element der Persönlichkeit des Diakons gesehen hat, das ihm besondere Wirkmöglichkeiten verleiht. Er war sich dabei durchaus der besonderen Risiken bewusst, die sich vor allem aus einem Scheitern der Ehe des Diakons ergeben können. Für ihn hatten die Vorteile das größere Gewicht.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine letzte persönliche Bemerkung: Mein Vater wäre ohne Zweifel selbst ein kompetenter und würdiger Diakon gewesen. Und er wäre es auch gern gewesen. Aber zu der Zeit, in der eine aktive Ausübung dieses Amtes überhaupt erst möglich wurde, das heißt nach dem Konzilsbeschluss, war er – nach eigener Überzeugung – leider zu alt. Und eines, was in Ordinariatkreisen und anderswo erwogen wurde, wollte er auf gar keinen Fall: Eine „Diakonatsweihe honoris causa“ – als Anerkennung seiner unbestreitbaren Verdienste. Seine Rolle als Vorkämpfer für das Weihediakonat war für ihn wichtiger Lebensinhalt. Und das genügte ihm.

Dr. Heinrich Hornef Straßburg, 20. Juni 2015


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